Münster: Was passiert eigentlich am Gasometer?

Erklärung vom gazo Kollektiv, sozialpalast e.V. zur aktuellen Situation der Konzeptvergabe und der Demonstration am 24.09.2022

Münster. Das Kunst- & Kultur-Kollektiv gazometer des sozialpalast e.V. hat 2021 das Gelände des Industriekulturdenkmals Gasometer am Albersloher Weg neu belebt. Es wurden Workshops, Konzerte, Kunstperformances, Kneipenabende, Nachbarschaftscafés und vieles mehr organisiert.  Nachdem eine weitere Vertragsverlängerung schon im letzten Jahr nur durch Fürsprache des Stadtrats – namentlich Christoph Kattentidt (Grüne) und Marius Herwig (SPD) – möglich war, ist die Zukunft des Gasometers wieder ungewiss. Was sind die Perspektiven für die Nutzung des Geländes?  Was will der Verein sozialpalast e.V.?

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Foto: Lothar Hill

Die Vision des gazo-Kollektivs: Der unter Denkmalschutz stehende Stahlkessel und sein  dazugehöriges Gelände sollen langfristig als Begegnungsort für Kunst, Kultur, Soziales, politische Bildung & Teilhabe gesichert werden. Für den 2020 gegründeten sozialpalast e.V. ist dabei die Form entscheidend, in der das passieren soll: Das Gasometer-Gelände soll nicht-kommerziell und selbstverwaltet sein. Das Kollektiv möchte mit seiner Kulturarbeit also keinen Profit erwirtschaften, der über den Erhalt des Ortes hinausgeht.

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Der Gasometer in Münster ist ein stillgelegter Erdgasspeicher der Stadtwerke Münster, der seit 1954 die Silhouette des Stadtbildes Münsters mitprägt und fünf Jahrzehnte ununterbrochen in Betrieb war. Foto: Lothar Hill.

Es soll die Teilhabe unterschiedlichster Menschen am  Projekt ermöglicht und mit ihnen gemeinsam entwickelt werden; es handelt sich also um ein soziales, ein partizipatives Nutzungskonzept. Neben der Form ist der Ort von entscheidender Bedeutung. Das Kollektiv spricht sich für einen Verbleib des Geländes in öffentlichem Besitz aus. Die einmalige Kulisse des stillgelegten Gasometers soll dadurch öffentlich zugänglich bleiben und Ort für Begegnung und Austausch sein. Alle, die bereits eine Veranstaltung im Kessel besucht haben oder während der Öffnungszeiten spontan zu Besuch kamen, konnten die einmalige Atmosphäre der Freifläche genießen und Ideen entwickeln, die umzusetzen das Kollektiv stets zur Seite steht.

„Wir sind gekommen, um zu bleiben!“ – Demo: „Gazo bleibt!“ – Redebeitrag: Die Falken Münster

Wie ist die Vertragssituation für das Kollektiv?

Nachdem die Vertragsverlängerung in den letzten Tagen des Jahres 2021 nach vielen Gesprächen bestätigt wurde, scheint sich die Situation auch dieses Jahr zu wiederholen. Der aktuelle Vertrag sieht eine Befristung bis Ende September 2022 vor und läuft somit bald aus. Die Stadtwerke wollen einer Verlängerung des Vertrags jedoch auch dieses Jahr nicht zustimmen. Als ein Gegenangebot soll es stattdessen möglich sein, dass das Kollektiv für einzelne Veranstaltungen Zugang zum Gelände bekommt. Dies würde die Gruppe jedoch vor einige Probleme stellen: „Die Planung von Veranstaltungen am Ort benötigt Vorlaufzeit und regelmäßige Anwesenheit auf dem Gelände.“ Stellt das Kollektiv fest. „Dazu kommt unser Equipment auf dem Gelände, das jedes Mal erneut auf das Gelände gebracht werden müsste; ein unnötiger Mehraufwand.“ Neben diesen praktischen Problemen stellt sich auch ein grundlegendes: „Der Anspruch des Kollektivs ist es, öffentlichen Zugang zu diesem einmaligen Gelände zu ermöglichen. Dies haben wir in unserer Zeit hier an den Tagen des offenen gazos umgesetzt. Sollten wir für jedes Mal einen Antrag schreiben müssen, wenn wir die Tore öffnen wollen, wird aus dem genutzten Gelände wieder eine Brache.“

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Foto: Lothar Hill.

Hinzu kommt auch ein finanzieller Aspekt: „Unser nicht-kommerzielles Konzept stützt sich aktuell hauptsächlich auf Fördermittel des Landes und des Bundes.“ Schildert David Koch. „Die neue Vertragssituation macht das weitere Einwerben solcher Fördermittel praktisch unmöglich. Gleichzeitig wurden uns bereits über 25.000 € an Fördermitteln für 2022 bewilligt. Die Umsetzung der damit finanzierten Projekte ist durch die aktuelle Lage nun akut bedroht.“ Sollte eine Vertragsverlängerung ausbleiben, stellen sich also massive Probleme für die gemeinschaftliche Nutzung des Gasometer-Areals.

Wie ist die Zukunftsperspektive?

In wenigen Wochen soll das Konzeptvergabeverfahren beginnen, an dessen Ende die Privatisierung des Gasometer-Areals stehen könnte. Ein Prozess, der bis zur Bebauung einige Jahre in Anspruch nehmen wird, in denen das Gelände des Industriedenkmals wiederholt leer stehen würde. Der Inkaufnahme von Leerstand eines derart bedeutsamen Grundstücks stellt sich das Kollektiv entgegen. Auf einer Demonstration am 24. September machen die Beteiligten mit Unterstützenden auf das öffentliche Interesse von öffentlichen und nicht-kommerziellen Orten in gemeinschaftlicher Nutzung aufmerksam. Dort zeigt sich ebenfalls, für wie viele unterschiedliche Menschen in Münster der Ort bereits zu neuem Leben erweckt wurde. Aus Sicht des Kollektivs und weiteren Trägern, wie z.B. den Falken Münster, soll im nächsten Jahr die Zusammenarbeit mit anderen Gruppen intensiviert werden.

Protest in Münster: „Gazo bleibt!“ – Redebeitrag eines Angehörigen der B-Side Münster

Das Kollektiv stellt hierbei fünf Bedarfsbereiche in den Vordergrund: Kulturarbeit, Jugendarbeit, Sozialarbeit, Integrationsarbeit und Gleichstellungsarbeit. „Bereits in den letzten zwei Jahre haben wir mit regelmäßigen Kulturveranstaltungen gezeigt, zu was der Ort alles fähig sein kann. Dabei haben wir insbesondere auf Kooperation mit Initiativen zur Gleichstellung, Integrationsarbeit oder Jugend- und Bildungsveranstaltungen gesetzt. Bei einer Vertragsverlängerung werden wir diesen Weg fortsetzen.“
Neben einer Vertragsverlängerung bezieht das Kollektiv grundlegend Stellung gegen den Verkauf öffentlicher Flächen und verweist auf die Protokollnotizen des Ratsbeschlusses zur Konzeptvergabe.
Die Ratskoalition auf Grünen, SPD und Volt sowie die internationale Fraktion aus ÖDP/Die Partei/Tsakalidis behielten sich vor, „gegebenenfalls auch gegen das Konzept eines kommerziellen Investors zu entscheiden.“ Darüber hinaus forderten sie „den Kulturraum Gasometer beizubehalten“.

Fotos: Lothar Hill

Das Kollektiv begrüßte diese Position der Mehrheit des Stadtrats sehr und hebt hervor, dass die Sorge um öffentliche Bedarfe, mit der Notwendigkeit verbunden ist, öffentliche Fläche bereitstellen  zu können. Somit würde der Verkauf des Geländes auch in einem Konzeptverfahren ein Hindernis für die Wahrnehmung öffentlicher Belange darstellen, wie das Kollektiv sie plant zu adressieren.

Für den Erhalt des gazo-Areals in Münster – Pressekonferenz gazometer Kollektiv Sozialpalast e.V. (2. September 2022)

Das gazo-Kollektiv gibt darüber hinaus zu bedenken, dass das letzte und außergewöhnliche
Industriekulturdenkmal Münsters, nach einer Privatisierung nicht mehr allen Bürger*innen der Stadt Münster offenstehen würde. Die Perspektive des Kollektivs ist somit klar: „Der städtische Raum ist ein sehr begrenztes, kostbares Gut, gehört uns allen und sichert gemeinschaftlich kommunalen Wert! Deshalb fordern wir eine Planungssicherheit mit einer Vertragsverlängerung bis mindestens Ende 2023, ohne Kündigungsklauseln und in klarer Kommunikation und Absprache mit den Stadtwerken.“

 

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