Stolpersteine in Münster gegen das Vergessen – Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus: Joachim Domp

Stolperstein des Künstlers Gunter Demnig in Münster, verlegt mit dem Verein „Spuren Finden e.V.“: Joachim Domp. Letzter Wohnort in Münster: Brüderstraße 8.

Joachim Domp wurde am 26. Aug. 1910 als ältestes Kind des Musikalienhändlers, Rabbiners, Lehrers und Kantors James Domp und seiner Ehefrau Ruth (eigentlich Rosa) Domp, geb. Schloss, in Münster geboren. In der vom katholischen Milieu geprägten Bischofsstadt legte er 1929 sein Abitur am Städtischen Gymnasium ab. Integriert in schulische Aktivitäten, wie z. B. Theateraufführungen, gleichzeitig aber auch der jüdischen Kultusgemeinde eng verbunden, mit dessen Rabbiner Dr. Fritz L. Steinthal er philosophische Themen diskutierte, engagierte er sich im jüdischen Wanderbund Kameraden und übernahm die Leitung einer Jugendgruppe in Münster.

Joachim Domp
Foto 1: Lothar Hill, Foto 2: YadVashem, Jerusalem

Sein Studium der Musik- und Kunstwissenschaft absolvierte er in Münster, Berlin und München. In München gehörte er dem Vorstand einer jüdischen Studentenverbindung (vermutlich Licaria) an. Im Januar 1933 promovierte er bei Karl Gustav Fellerer in Fribourg (Schweiz), der zuvor in Münster sein Lehrer gewesen war, zum Thema „Studien zur Geschichte der Musik an westfälischen Adelshöfen im XVIII. Jahrhundert“. Hitlers Machtantritt zerstörte seine Hoffnungen auf eine Universitätslaufbahn in Deutschland. Auch Bewerbungen an Universitäten in Frankreich, England und den Niederlanden wurden in den folgenden Jahren negativ beschieden. Bis zu deren Emigration unterrichtete er als Privatlehrer die Kinder der Familie Hanf in Krefeld (1934/1935). Nach vergeblichen Bemühungen kehrte er nach Münster zurück, war im elterlichen Klaviergeschäft tätig und fungierte als Organist und Leiter des Synagogenchors in Münster.

Eine in Liquidation befindliche Musikalienhandlung in Enschede wurde 1937 zum vorübergehenden Rettungsanker. Um diese erwerben zu können, war er gezwungen, sich die geforderten 5.000 Gulden von Privatleuten zu leihen, da eine Ausfuhr von Devisen aus Deutschland durch die verschärften Devisengesetze unmöglich war. Seine Schwester Helge Domp, die Niederländisch sprechen konnte, stand ihm dabei zur Seite. Anfangs bestand der Verdienst nur aus den Pachterträgen der vermieteten Klaviere, zu denen der Vater James Domp nach seiner Emigration Ende 1937 seinen Teil beisteuerte, da neben dem Umzugsgut auch die Ausfuhrgenehmigung für 38 Gebrauchtklaviere erteilt worden war. Alte Geschäftsverbindungen zu Steinway wurden wieder belebt, britische Fabrikanten neu hinzugewonnen. Durch Fleiß und Geschäftssinn erreichte die Firma bald einen höheren Bekanntheitsgrad und entsprechenden Gewinn unter der Firmenbezeichnung Broeksma Pianohandel, Eigenaar Dr. Domp. Seit der am 19. Juni 1939 verfügten Ausbürgerung, die durch Veröffentlichung im „Deutschen Reichsanzeiger und Preußischen Reichsanzeiger“ erfolgte, galt Domp als Staatenloser.

Mit dem Überfall deutscher Truppen auf das Zufluchtsland am 10. Mai 1940 geriet Domp wieder in den Machtbereich der NS-Gesetzgebung, der er hatte entkommen wollen. 1941 wurde ihm die Führung seines Geschäfts untersagt und sein Konto gesperrt. Der eingesetzte deutsche Verwalter erwies sich als wenig kompetent, war aber vertrauensselig, sodass die Familie insgeheim durch Verpachtung von Klavieren Vorbereitungen für ein Leben in der Illegalität treffen konnte. Wie hellsichtig Jochen Domps Planungen waren, erwies sich im folgenden Jahr, als Verhaftung und Inhaftierung drohten. Nach einer Vorladung seiner Schwester Helge Domp zur Gestapo wegen unerlaubter Benutzung der Bahn und Nicht-Tragens des gelben Sterns war höchste Eile zum Untertauchen geboten. Während seine Eltern ebenso wie seine Schwestern Lissy und Helge Domp in den Niederlanden blieben und dort im Versteck überlebten, überschritt er selbst aufgrund der Wegbeschreibung eines niederländischen Bauern am 13. März 1942 mit einer Gruppe von zehn Männern die niederländisch-belgische Grenze, um vom Ausland aus gegen Hitler aktiv zu kämpfen.

Über Brüssel, wo er einen auf den Namen Jan de Groot gefälschten Pass erhielt, und Paris gelangte er über die Demarkationslinie in das unbesetzte Frankreich nach Toulouse. Mit einem Urlaubsschein als französischer Garnisonssoldat getarnt, erreichte er die französisch-schweizerische Grenze und betrat am 6. Mai 1942 Schweizer Boden. Von dort reiste er nach Fribourg, wo er von seinem Doktorvater Karl Gustav Fellerer Unterstützung erhoffte. Doch dieser, Mitglied der NSDAP, war von der deutschen Reichsregierung im besetzten Paris mit der Sichtung und Archivierung mittelalterlicher Musikhandschriften betraut worden. In der Schweiz befasste sich die Kantonspolizei mit dem illegal eingereisten Flüchtling. Trotz vorgewiesener guter Leumundszeugnisse und der Fürsprache des Universitätsrektors von Fribourg inhaftierte die Schweizer Polizei Domp, verdächtigte ihn der Spionage und übergab ihn am 26. Mai 1942 in Handschellen gefesselt den französischen Behörden.

In Frankreich wurde er zu einem Monat Gefängnis wegen illegalen Grenzübertritts verurteilt und nach Verbüßung der auferlegten Strafe einem Kommando von jüdischen Zwangsarbeitern zugeteilt. Im Rahmen der großen Razzien von Vichy am 23. Aug. 1942 wurde er in das Internierungslager Drancy bei Paris verbracht und nach kurzem Aufenthalt am 26. Aug. 1942, seinem 32. Geburtstag, in das KZ Auschwitz deportiert. Bis Ende März 1944 leistete er im KZ Außenlager Blechhammer Schwerstarbeit bei Mangelernährung, wurde dann zurück in das KZ Auschwitz verbracht und kam kurz vor der Befreiung des Lagers vermutlich bei einem „Todesmarsch“ ums Leben. Der genaue Ort und Zeitpunkt seines Todes sind unbekannt.

Hauptquellen: SGM DompJo, MöllenhoffG/Schlautmann-OvermeyerR 1995-2001, GießlerC 2006
Empfohlene Zitierweise
Gisela Möllenhoff: Jochen Domp, in: Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen der NS-Zeit, Claudia Maurer Zenck, Peter Petersen (Hg.), Hamburg: Universität Hamburg, 2010 (https://www.lexm.uni-hamburg.de/…/lexm_lexmperson_00004619)

In Münster geborene Zeitzeugin Helge Loewenberg-Domp (Schwester von Joachim Domp) verstarb 105-jährig in Amsterdam Lesen

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s