Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus in Münster – Stolpersteine gegen das Vergessen: Theresia Lübke (Sinti)

Neue Webseite erinnert an Münsters „vergessene Verfolgte“ – Mehr als 300 bisher nicht bekannte Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung hat der Historiker Timo Nahler vom Stadtarchiv Münster im Rahmen eines städtischen Forschungsprojekts ermittelt.

Stolperstein des Künstlers Gunter Demnig in Münster, verlegt mit dem Verein „Spuren Finden e.V.“ in der Überwasserstraße 34: Theresia Lübke. Sie wurde 1928 in Münster geboren, am 9. März 1943 verhaftet, nach Auschwitz deportiert und dort am 22. April 1944 von Nazischergen ermordet.

Fotos: Lothar Hill. Bild vergrößern.

Die Münsteraner Sinti-Familie Lübke verlor fünf Familienmitglieder, die als sogenannte „Zigeuner“ von den Nationalsozialisten verfolgt wurden. So wurde Anna Lübke, geboren 1879, 1943 im Vernichtungs- und Konzentrationslager Auschwitz ermordet, ihr erwachsener Sohn Wilhelm, geboren 1915, kam schon 1940 ins KZ Sachsenhausen und war dort 1942 umgebracht worden. Ein Onkel, der das Lager Auschwitz überlebt hat, nahm den Enkel der Familie, Horst Lübke, später als Kind mit zum Schrott sammeln. Er hatte große Angst vor der Polizei. Lübkes Mutter Franziska konnte sich nur durch einen Zufall der Deportation entziehen und untertauchen, da sie nicht auf der polizeilichen Liste stand.

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Stolpersteine für die Sinti-Familie Lübke an der Überwasserstraße 34 in Münster. Fotos: Lothar Hill.

In Münster erinnern 22 Stolpersteine an Sinti und Roma, davon 16 alleine für die Familie Wagner (Jüdefelderstraße). Insgesamt sollen laut des Forschungsprojektes „Gedenken an die verfolgten Homosexuellen und vergessenen Opfergruppen der NS-Zeit sowie der Nachkriegsjahrzehnte“, 68 Sinti und Roma aus Münster von den braunen Massenmördern verfolgt worden sein. Ein weiterer Stein wurde für Julitta Krause (Sinti) an der Hüfferstraße 8 verlegt.

„Auschwitz-Erlass“: Himmler befahl im s.g. „Auschwitz-Erlass“ am 16.12.1942, alle „Zigeunermischlinge, Rom-Zigeuner, und nichtdeutschblütige Angehörige Zigeunerscher Sippen balkanischer Herkunft, in ein Konzentrationslager einzuweisen“. In den Ausführungsbestimmungen, die das Reichssicherheitshauptamt am 29. Januar 1943 herausgab, wurde erklärt, dass damit das „Konzentrationslager (Zigeunerlager) Auschwitz“ gemeint war.

Die Gesamtzahl der während der NS-Herrschaft ermordeten Roma und Sinti kann bis heute lediglich geschätzt werden. Ausgehend von zurückhaltenden Schätzungen, die zumeist auf statistischen Angaben aus der NS-Zeit beruhen, darf als zutreffend gelten, dass bis zu 500.000 Roma und Sinti umgebracht wurden. Von den knapp 40.000 Sinti und Roma, die in Deutschland und Österreich gelebt haben, wurden 25.000 ermordet. In der Sprache der Roma und Sinti, dem Romani, wurde für diesen Völkermord der Begriff Porajmos (auch Porrajmos; dt.: das Verschlingen) geprägt. Nach 1945 endete die gesellschaftliche und staatliche Diskriminierung der Sinti und Roma nicht. Lange Zeit wurde ihnen die Anerkennung verweigert, Opfer der rassistischen NS-Verfolgung gewesen zu sein.

Europaweit erleiden Rom*nja und Sinti*zze massive Diskriminierung. Auch in Deutschland gehören Gewalt und alltägliche Beschimpfungen zum Alltag vieler Sinti*zze und Rom*nja. Diese Erfahrungen führen bei vielen Menschen zu einem Rückzug aus der Gesellschaft. Die lange Geschichte der Benachteiligung hat bewirkt, dass viele Sinti*zze und Rom*nja sich in schwierigen wirtschaftlichen Situationen befinden und oft Probleme beim Zugang zu Bildung, Arbeit oder Wohnraum haben. Hier zeigt sich ein deutlicher Zusammenhang mit Diskriminierung aufgrund sozialer Herkunft und Rassismus.

*Quellen: Ausstellung „Vergessenen begegnen – NS-Opfer aus dem Münsterland“; Bundeszentrale für politische Bildung (bpe); Amadeu Antonio Stiftung

Alltagsrassismus – Sinti

Podcast über Alltagsrassismus von Schülerinnen an der Gesamtschule Münster Mitte – in Kooperation mit der vhs Münster HÖREN (NRWision)

Internationale Wochen gegen Rassismus 2023 in Münster: „Rassismus gegen Rom*nja?- Was tut die Schule?

NS-Terrorherrschaft 1933 bis 1945: Opfer aus Münster:

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Von den im Jahre 1933 ursprünglich 708 Angehörigen der jüdischen Gemeinde Münster wurden 299 Menschen in Konzentrationslager deportiert, von denen nur 24 überlebten. Insgesamt 280 jüdische Bürger verließen Münster und emigrierten ins Ausland, sieben begingen Selbstmord und vier überlebten den Nationalsozialismus in Münster im Untergrund. Abzüglich der 77 Personen, die in diesem Zeitraum eines natürlichen Todes starben, verbleiben 42 Menschen, deren Schicksal ungeklärt geblieben ist. Darüber hinaus wurden aber u.a. auch Deserteure, sog. „Asoziale“, Homosexuelle, Zeugen Jehovas sowie Sinti:zze und Rom:nja aus Münster, Opfer der Nationalsozialisten. Im Rahmen des „Euthanasie-Erlass“ vom 1. September 1939, deportierten die Nazischergen zudem zwischen 1940 und 1943 über 550 Menschen aus der „Heilanstalt Marienthal“ in Münster (heute LWL-Klinik) in Todeslager, wo sie ermordet wurden. Von Haus Kannen in Münster-Amelsbüren wurden 106 Bewohner*innen Opfer der NS-Tötungsmaschinerie.

Laut des am 17. März 2021 vom Rat der Stadt Münster beschlossenen Forschungsprojektes „Gedenken an die verfolgten Homosexuellen und vergessenen Opfergruppen der NS-Zeit und der Nachkriegsjahrzehnte“, wurden mindestens zwischen 400 und 500 Münsteraner*innen zwangssterilisiert, von denen 350 namentlich identifiziert werden konnten. Eines der bekanntesten Opfer ist wohl der Münsteraner Antifaschist, Anarchist und Kommunist Paul Wulf, der 1999 verstarb.






























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