In Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus in Münster – Stolpersteine gegen das Vergessen: Siegfried Goldenberg (Holocaust-Überlebender)

Stolperstein des Künstlers Gunter Demnig in Münster, verlegt mit dem Verein „Spuren Finden e.V.“ in der Schulstraße 19: Siegfried Goldenberg. Er wurde am 12. August 1900 in Oberhausen geboren, überlebte den Holocaust und verstarb am 21. März 1980 in Münster. Verheiratet er mit Else, die ebenfalls die Shoah überlebte. Das Paar hatte eine Tochter: Mirjam. Sie wurde 1944 im Alter von nur sieben Jahren im deutschen Vernichtungs- und Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau ermordet.

Foto Stolperstein: Lothar Hill, Quelle Foto Siegfried Goldenberg: Jüdisches Leben in Münster Bild vergrößern.

Der Metzger Siegfried Goldenberg legte 1924 vor der Handwerkskammer Dortmund die Meisterprüfung ab. In Bochum hatte er von 1925 bis zum 29. März 1933 ein Fleisch- und Wurstwarengeschäft betrieben. Nachdem das NS-Regime ihm verboten hatte, auf dem Wochenmarkt in Bochum seine Ware zu verkaufen, verzog Siegfried Goldenberg 1933 nach Münster, Schulstraße 19, wo seine spätere Frau Else auch wohnte. In Münster fand er für kurte Zeit eine Anstellung bei einem Metzger, bis ihm auch diese Tätigkeit untersagt wurde. Die Wohnung wurde in der Pogromnacht 1938 verwüstet. Da die Mutter von Siegfried Goldenberg am 10. November 1938 verstorben war, wurde ihm trotz „Inhaftierungsaktion“ erlaubt, zur Regelung der Hinterlassenschaft nach Bochum zu fahren. Nach diesen Ereignissen versuchte seine Schwester Mali, die seit 1928 in den Niederlanden lebte, vergeblich, für ihn mit seiner Familie und für seinen Bruder eine Einreisegenehmigung in die Niederlande zu erhalten. Eine Emigration nach Palästina erschien dem Ehepaar Goldenberg mit einem Kleinkind zu gefährlich zu sein. Am 4. Oktober 1039 mussten sie in das „Judenhaus“ Hermannstraße 44 umsiedeln. Siegfried Goldenberg leistete seit 1939 Zwangsarbeit beim Kanalbau in Hiltrup. Vor der Deportation am 13. Dezember 1941 mit dem Zug von Münster in das Ghetto/KZ Riga, wurde die Familie von zwei Gestapo-Beamten aus ihrer Wohnung geholt und zur Sammelstelle in die Gaststätte „Gertrudenhof“ an der Warendorferstraße gebracht.

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Vom Ghetto Riga wurde Siegfried Goldenberg über das KZ Kaiserwald-Meteor mit seiner Frau beim Vorrücken der Roten Armee 1944 per Schiff ins KZ Stutthof bei Danzig verbracht. Von dort wurde er einige Zeit später, am 16. August 1944, zusammen mit 500 Schicksalsgenossen, ins KZ Buchenwald überstellt. Siegfried Goldenberg befand sich dann im Außenlager Rehmsdorf. Die Häftlinge mussten in den Brabag-Werken (Braunkohle und Synthetisches Benzin) Zwangsarbeit leisten. Von dort wurde er beim Herannahen amerikanischer Truppen per Fußmarsch, bzw. Viehwaggons ins Ghetto Theresienstadt verschickt, wo er am 8. Mai 1945 von sowjetischen Truppen befreit wurde.

Nach dem Ende des II. Weltkrieges kehrten vereinzelt Überlebende der Shoah in das Münsterland und in die Stadt Münster zurück, so auch das Ehepaar Siegfried und Else Goldenberg. Das Paar stellte Räume ihrer Wohnung als Betraum zur Verfügung und setzte sich auch dafür ein, dass der Friedhof instandgesetzt wurde. Eine Bombe hatte einen Krater gerissen und viele Grabsteine zerstört. Das Dach der Trauerhalle war im Frühjahr 1947 eingestürzt; Baumaterialien waren nur schwer zu bekommen. In den Jahrzehnten zwischen 1950 und 1990 hat sich die Gemeinde von einigen ihrer Gründungsmitglieder nach der Shoah verabschieden müssen. Der Grabstein von Siegfried und Else Goldenberg erinnert daran, dass beide ihre Deportation nach Riga und in weitere Zwangslager überlebt haben, aber auch daran, dass ihre kleine Tochter Miriam in Riga ermordet wurde. Siegfried Goldenberg war bis 1975 gewählter Vorsitzender der jüdischen Gemeinde, immer unterstützt von seiner Ehefrau Else. 1975 erhielten sie von der Stadt Münster in Anerkennung ihrer Verdienste die Paulus-Plakette.

*Quellen: Gisela Möllenhoff und Rita Schlautmann-Overmeyer, Jüdische Familien in Münster 1918 bis 1945, Teil 1: Biographisches Lexikon, Münster 2001; Jüdisches Leben in Münster.

Von den im Jahre 1933 ursprünglich 708 Angehörigen der jüdischen Gemeinde Münster wurden 299 Menschen in Konzentrationslager deportiert, von denen nur 24 überlebten. Insgesamt 280 jüdische Bürger verließen Münster und emigrierten ins Ausland, sieben begingen Selbstmord und vier überlebten den Nationalsozialismus in Münster im Untergrund. Abzüglich der 77 Personen, die in diesem Zeitraum eines natürlichen Todes starben, verbleiben 42 Menschen, deren Schicksal ungeklärt geblieben ist.

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Nazi-Opfer aus Münster und der damaligen Gemeinde Wolbeck (seit dem 1. Januar 1975 ein Stadtteil der Stadt Münster)

Darüber hinaus wurden aber u.a. auch Deserteure, sog. „Asoziale“, Homosexuelle, Zeugen Jehovas sowie Sinti:zze und Rom:nja aus Münster, Opfer der Nationalsozialisten. Im Rahmen des „Euthanasie-Erlass“ vom 1. September 1939, wurden zudem zwischen 1940 und 1943 über 550 Menschen aus der Heilanstalt Marienthal in Münster (heute LWL-Klinik) in Todeslager deportiert und ermordet. Von Haus Kannen in Münster-Amelsbüren wurden 106 Bewohner*innen Opfer der NS-Tötungsmaschinerie. Laut des am 17. März 2021 vom Rat der Stadt Münster beschlossenen Forschungsprojektes „Gedenken an die verfolgten Homosexuellen und vergessenen Opfergruppen der NS-Zeit und der Nachkriegsjahrzehnte“, wurden mindestens zwischen 400 und 500 Münsteraner*innen zwangssterilisiert, von denen 350 namentlich identifiziert werden konnten. Eines der bekanntesten Opfer ist wohl der Münsteraner Antifaschist, Anarchist und Kommunist Paul Wulf, der 1999 verstarb.

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