In Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus in Münster – Stolpersteine gegen das Vergessen: Siegfried Heimbach

Stolperstein des Künstlers Gunter Demnig in Münster, verlegt mit dem Verein „Spuren Finden e.V.“ an der Hollenbeckerstraße 10 (Kuhviertel): Siegfried Heimbach. Er wurde am 10. Juni 1894 in Laer/Kreis Steinfurt (Münsterland) geboren und am 15. April 1942 im KZ Riga-Salaspils von Nazischergen ermordet. Verheiratet war Siegfried Heimbach mit Henny. Das Paar hatte eine Tochter: Irmgard. Ehefrau und Tochter überlebten den Holocaust.

Am 26. Januar 2004 verlegte Gunter Demnig an der Hollenbeckerstraße 10 die ersten Stolpersteine in Münster für Max und Siegfried Heimbach. Mehr dazu hier.

Foto Stolperstein: Lothar Hill, Quelle Foto Siegfried Heimbach: Möllenhoff/Schlautmann-Overmeyer: Jüdische Familien, S. 175–183 (Heimbach). Bild vergrößern.

*Der Reichsbahnbeamte Siegfried Heimbach nahm als Soldat am 1. Weltkrieg teil. Er wohnte als Junggeselle zur Untermiete Theisingstraße 12, nach der Heirat 1924 Hansaring 34. Die Versetzung und der Umzug nach Osnabrück erfolgten ca. 1932. Aufgrund des NS-Gesetzes zur „Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“, musste Siegfried Heimbach um seine weitere Berufsausübung bangen, wurde jedoch als „Frontkämpfer“ bis Ende 1935 im Dienst belassen, dann wegen seiner jüdischen Abstammung mit einem Ruhegehalt zwangspensioniert. Er war im November 1938 anlässlich der Goldenen Hochzeit seiner Eltern in Laer. Dort geriet er in die Verhaftungswelle des Novemberpogroms und wurde im Spritzenhaus Laer festgesetzt, wo es ihm erlaubt war, Besuch zu empfangen.

Siegfried Heimbach mit Ehefrau Henny und Tochter Irmgard, die beide den Holocaust überlebten. (1929). Quelle Foto Siegfried Heimbach: Möllenhoff/Schlautmann-Overmeyer: Jüdische Familien, S. 175–183 (Heimbach). Bild vergrößern.

Siegfried Heimbach wurde nicht, wie die Osnabrücker Juden, ins KZ Buchenwald verschleppt. Nachdem die Familie drei Jahre später, Mitte November 1941, über den bevorstehenden Abtransport benachrichtigt worden war, wurden sie am 12. Dezember 1941 aus der Wohnung in Osnabrück geholt, die anschließend versiegelt wurde. Sie wurden in eine Osnabrücker Turnhalle, in der auch das tags zuvor abgeholte Großgepäck lagerte, verbracht und mussten dort auf einem Strohlager übernachten. Am 13. Dezember 1941 wurde die Familie Heimbach mit dem ersten Deportationszug von Münster über Osnabrück – Bielefeld nach Riga (Lettland) verbracht. Nachdem der Zug, indem während der Fahrt die Toiletten zugefroren waren, nachts in Riga angekommen war, wurde ihnen erst am anderen Morgen der Weitermarsch in das Ghetto/KZ erlaubt. Am 11. Januar 1942 fand ein Appell statt, bei dem arbeitsfähige Männer beim Aufbau des 16 km entfernten KZ Riga-Salaspils abkommandiert wurden.

Jüdische Gefangene beim Bau einer Holzbaracke im KZ Salaspils, Aufnahme einer SS-Propagandakompanie vom 22. Dezember 1941. Quelle Foto: Bundesarchiv; Bild 101III-Duerr-053-30, Lettland, KZ Salaspils. (vergrößern).

Dort musste Siegfried Heimbach in einer primitiven Holzbaracke hausen. Er konnte seiner Frau hin und wieder auf einem kleinen Zettel Nachrichten schicken, bis der Briefverkehr untersagt wurde. Aufgrund er Lagerbedingungen und der dort herrschenden Ruhrepidemie kam Siegfried Heimbach drei Monate später ums Leben.

*Quelle: Gisela Möllenhoff und Rita Schlautmann-Overmeyer, Jüdische Familien in Münster 1918 bis 1945, Teil 1: Biographisches Lexikon, Münster 2001.

Von den im Jahre 1933 ursprünglich 708 Angehörigen der jüdischen Gemeinde Münster wurden 299 Menschen in Konzentrationslager deportiert, von denen nur 24 überlebten. Insgesamt 280 jüdische Bürger verließen Münster und emigrierten ins Ausland, sieben begingen Selbstmord und vier überlebten den Nationalsozialismus in Münster im Untergrund. Abzüglich der 77 Personen, die in diesem Zeitraum eines natürlichen Todes starben, verbleiben 42 Menschen, deren Schicksal ungeklärt geblieben ist.

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Nazi-Opfer aus Münster und der damaligen Gemeinde Wolbeck (seit dem 1. Januar 1975 ein Stadtteil der Stadt Münster)

Darüber hinaus wurden aber u.a. auch Deserteure, sog. „Asoziale“, Homosexuelle, Zeugen Jehovas sowie Sinti:zze und Rom:nja aus Münster, Opfer der Nationalsozialisten. Im Rahmen des „Euthanasie-Erlass“ vom 1. September 1939, wurden zudem zwischen 1940 und 1943 über 550 Menschen aus der Heilanstalt Marienthal in Münster (heute LWL-Klinik) in Todeslager deportiert und ermordet. Von Haus Kannen in Münster-Amelsbüren wurden 106 Bewohner*innen Opfer der NS-Tötungsmaschinerie. Laut des am 17. März 2021 vom Rat der Stadt Münster beschlossenen Forschungsprojektes „Gedenken an die verfolgten Homosexuellen und vergessenen Opfergruppen der NS-Zeit und der Nachkriegsjahrzehnte“, wurden mindestens zwischen 400 und 500 Münsteraner*innen zwangssterilisiert, von denen 350 namentlich identifiziert werden konnten. Eines der bekanntesten Opfer ist wohl der Münsteraner Antifaschist, Anarchist und Kommunist Paul Wulf, der 1999 verstarb.

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