In Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus in Münster – Stolpersteine gegen das Vergessen: Else Goldenberg (Holocaust-Überlebende)

Stolperstein des Künstlers Gunter Demnig in Münster, verlegt mit dem Verein „Spuren Finden e.V.“ in der Schulstraße 19: Else Goldenberg (geb. Wertheim). Sie wurde am 30. August 1903 in Nottuln geboren, überlebte den Holocaust und starb am 15. Oktober 1979 in Münster. Verheiratet war sie mit Siegfried Goldenberg, der ebenfalls den Holocaust überlebte. Das Paar hatte eine Tochter: Mirjam. Sie wurde 1944 im Alter von nur sieben Jahren im deutschen Vernichtungs- und Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau ermordet.

Foto Stolperstein: Lothar Hill, Quelle Foto Else Goldenberg: Gisela Möllenhoff / Rita Schlautmann-Overmeyer, Jüdische Familien in Münster 1918 – 1945. Teil I Biographisches Lexikon, Münster ²2001. Bild vergrößern.

Else Goldenberg absolvierte eine dreijährige Lehre in einem Textil- und Kürschnereibetrieb in Meschede. Anschließend erfolgte eine Weiterbildung in der Korsett- und Bandagenanfertigung. Else Goldenberg lebte seit dem 11. Januar 1928 in Münster und arbeitete als Geschäftsleiterin im Korsettgeschäft „Helene Davids & Co.“ Prinzipalmarkt 37 (heute Mode Harenberg). Sie war dort am Umsatz beteiligt. Die in Aussicht gestellte Einsetzung als Teilhaberin kam aufgrund der Demolierung und des Zwangsverkaufs des Betriebes nach der Pogromnacht im November 1938 nicht mehr zustande. Mit Tochter und Ehemann wurde Else Goldenberg am 13. Dezember 1941 von Münster nach Riga deportiert und kam später ins KZ Kaiserwald-Meteor. Als sie eines Tages von der Arbeit zurückkehrte, war ihre Tochter mit allen anderen Kindern abtransportiert worden. Daraufhin wollte sie nicht mehr weiterleben, verweigerte die Nahrung und wurde strafversetzt. Am 9. August 1944 wurde Else Goldenberg in das KZ Stutthof bei Danzig verbracht, wo sie vermutlich im Außenlager Lauenburg/ Hinterpommern untergebracht war und Zwangsarbeit leisten musste, während ihr Mann ins KZ Buchenwald überstellt wurde. Sie verblieb bis zu ihrer Befreiung durch sowjetischen Truppen im KZ Stutthof. Nachdem sie sich nach dem Ende des faschistischen Hitler-Regimes in Bochum wiedergetroffen hatten, kehrte sie mit ihrem Mann nach Münster zurück. Auch dann gab Else Goldenberg die Hoffnung nicht auf, ihre Tochter wiederzufinden und suchte in vielen KZ nach ihren Spuren.

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Nach dem Ende des II. Weltkrieges kehrten vereinzelt Überlebende der Shoah in das Münsterland und in die Stadt Münster zurück. Das Ehepaar Siegfried und Else Goldenberg stellte Räume ihrer Wohnung als Betraum zur Verfügung und setzte sich auch dafür ein, dass der Friedhof instandgesetzt wurde. Eine Bombe hatte einen Krater gerissen und viele Grabsteine zerstört. Das Dach der Trauerhalle war im Frühjahr 1947 eingestürzt; Baumaterialien waren nur schwer zu bekommen. In den Jahrzehnten zwischen 1950 und 1990 hat sich die Gemeinde von einigen ihrer Gründungsmitglieder nach der Shoah verabschieden müssen. Der Grabstein von Siegfried und Else Goldenberg erinnert daran, dass beide ihre Deportation nach Riga und in weitere Zwangslager überlebt haben, aber auch daran, dass ihre kleine Tochter Miriam in Riga ermordet wurde. Siegfried Goldenberg war bis 1975 gewählter Vorsitzender der jüdischen Gemeinde, immer unterstützt von seiner Ehefrau Else. 1975 erhielten sie von der Stadt Münster in Anerkennung ihrer Verdienste die Paulus-Plakette.

Quellen: Gisela Möllenhoff / Rita Schlautmann-Overmeyer, Jüdische Familien in Münster 1918 – 1945. Teil I Biographisches Lexikon, Münster ²2001; Jüdisches Leben in Münster.

Von den im Jahre 1933 ursprünglich 708 Angehörigen der jüdischen Gemeinde Münster wurden 299 Menschen in Konzentrationslager deportiert, von denen nur 24 überlebten. Insgesamt 280 jüdische Bürger:innen verließen Münster und emigrierten ins Ausland, sieben begingen Selbstmord und vier überlebten den Nationalsozialismus in Münster im Untergrund. Abzüglich der 77 Personen, die in diesem Zeitraum eines natürlichen Todes starben, verbleiben 42 Menschen, deren Schicksal ungeklärt geblieben ist.

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Nazi-Opfer aus Münster und der damaligen Gemeinde Wolbeck (seit dem 1. Januar 1975 ein Stadtteil der Stadt Münster)

Darüber hinaus wurden aber u.a. auch Deserteure, sog. „Asoziale“, Homosexuelle, Zeugen Jehovas sowie Sinti:zze und Rom:nja aus Münster, Opfer der Nationalsozialisten. Im Rahmen des „Euthanasie-Erlass“ vom 1. September 1939, wurden zudem zwischen 1940 und 1943 über 550 Menschen aus der Heilanstalt Marienthal in Münster (heute LWL-Klinik) in Todeslager deportiert und ermordet. Von Haus Kannen in Münster-Amelsbüren wurden 106 Bewohner*innen Opfer der NS-Tötungsmaschinerie. Laut des am 17. März 2021 vom Rat der Stadt Münster beschlossenen Forschungsprojektes „Gedenken an die verfolgten Homosexuellen und vergessenen Opfergruppen der NS-Zeit und der Nachkriegsjahrzehnte“, wurden mindestens zwischen 400 und 500 Münsteraner*innen zwangssterilisiert, von denen 350 namentlich identifiziert werden konnten. Eines der bekanntesten Opfer ist wohl der Münsteraner Antifaschist, Anarchist und Kommunist Paul Wulf, der 1999 verstarb.

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