In Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus – Stolperstein gegen das Vergessen in Münster: Julius Lentschützki

Stolperstein des Künstlers Gunter Demnig in Münster, verlegt mit dem Verein „Spuren Finden e.V.“ in der Hermannstraße 48: Julius Lentschützki. Er wurde am 17. Januar 1930 in Münster geboren und am 12. Januar 1945 im KZ Stutthof ermordet. Bis 1941 besuchte Julius Lentschützki die jüdische Volksschule am Kanonengraben 4. Seine Eltern waren Lena und Salomon Lentschützki, die ebenfalls von den Nazis ermordet wurden.

Foto Stolperstein: Lothar Hill. (vergrößern).

*Etwa 20 Bürger*innen jüdischen Glaubens aus Münster waren 1938/39 im Zuge der „Polen-Aktion“ ausgewiesen worden, die meisten im Oktober 1938, einzelne zu dem von Heydrich angeordneten Termin Mitte 1939. Zwei Drittel von ihnen wurde Opfer von Hitlers Mordmaschinerie. Bei einigen lässt sich noch nicht einmal mehr der Todesort feststellen.
Der aus Polen stammende Salomon Lentschützki, seine Ehefrau Lena und deren 1930 geborener Sohn Julius blieben aus bisher nicht zu ermittelnden Gründen von den Abschiebeaktionen ausgenommen. Sie wurden mit der ersten Deportation aus Münster am 13. Dezember 1941 nach Riga verschleppt, wo Salomon Lentschützki umkam. Julius Lentschützki verstarb am 12. Januar 1945, vier Monate vor dem Ende der NS-Herrschaft im KZ Stutthof, Lena Lentschützki überlebte den Todesmarsch nicht.

Im Winter 1941 setzten sich vor allem aus Nord- und Westdeutschland Züge in Bewegung, in denen Tausende von Juden nach Riga deportiert wurden, angeblich zum Arbeitseinsatz. Die Verschleppten erwartete hier ein jüdisches Ghetto, das die deutschen Besatzer mit tatkräftiger Unterstützung einheimischer Handlanger zuvor „geräumt“ hatten – durch Massenerschießung der Insassen im Wald von Rumbula vor den Toren der lettischen Hauptstadt. Aber auch für die allermeisten Neuankömmlinge bedeute die Deportation nach Riga die Vernichtung: von 24 605 Menschen erlebten gerade 1 073 das Ende des Krieges, schreibt der engagierte Historiker Matthias M. Ester.

Auch die Verschleppung der Münsteraner Juden wickelte die damalige Deutsche Reichsbahn ab, und wer die berühmte Shoah-Dokumentation von Claude Lanzmann gesehen hat, der weiß, dass das Unternehmen diesen und unzählige ähnliche Aufträge effizient und mit höchster bürokratischer Präzision erledigte, Hand in Hand mit den Betreibern des Holocaust.

*Quellen: Grenzgänge : Menschen und Schicksale zwischen jüdischer, christlicher und deutscher Identität ; Festschrift für Diethard Aschoff; Lettische Presseschau

Während der Zeit des Nationalsozialismus kam es wie überall in Deutschland auch in Münster zu Pogromen, Vertreibungen und Ermordungen von jüdischen Einwohnern, wodurch deren Anteil an der Bevölkerung stark zurückging. Während der Reichspogromnacht 1938 wurde zudem am frühen Morgen des 10. November die Synagoge in Brand gesetzt und zerstört, jedoch 1961 durch einen Neubau ersetzt, der am 12. März 1961 eröffnet wurde.

Von den im Jahre 1933 ursprünglich 708 Angehörigen der jüdischen Gemeinde Münster wurden 299 Menschen in Konzentrationslager deportiert, von denen nur 24 überlebten. Insgesamt 280 jüdische Bürger verließen Münster und emigrierten ins Ausland, sieben begingen Selbstmord und vier überlebten den Nationalsozialismus in Münster im Untergrund. Abzüglich der 77 Personen, die in diesem Zeitraum eines natürlichen Todes starben, verbleiben 42 Menschen, deren Schicksal ungeklärt geblieben ist.

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Nazi-Opfer aus Münster und der damaligen Gemeinde Wolbeck (seit dem 1. Januar 1975 ein Stadtteil der Stadt Münster)

Darüber hinaus wurden aber u.a. auch Deserteure, sog. „Asoziale“, Homosexuelle, Zeugen Jehovas sowie Sinti:zze und Rom:nja aus Münster, Opfer der Nationalsozialisten. Im Rahmen des „Euthanasie-Erlass“ vom 1. September 1939, wurden zudem zwischen 1940 und 1943 über 550 Menschen aus der Heilanstalt Marienthal in Münster (heute LWL-Klinik) in Todeslager deportiert und ermordet. Von Haus Kannen in Münster-Amelsbüren wurden 106 Bewohner*innen Opfer der NS-Tötungsmaschinerie. Laut des am 17. März 2021 vom Rat der Stadt Münster beschlossenen Forschungsprojektes „Gedenken an die verfolgten Homosexuellen und vergessenen Opfergruppen der NS-Zeit und der Nachkriegsjahrzehnte“, wurden mindestens zwischen 400 und 500 Münsteraner*innen zwangssterilisiert, von denen 350 namentlich identifiziert werden konnten. Eines der bekanntesten Opfer ist wohl der Münsteraner Antifaschist, Anarchist und Kommunist Paul Wulf, der 1999 verstarb.

Unterm Hakenkreuz | Einführung: Kamera läuft – Westfalen 1933 – 1945 im Amateurfilm

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