Offener Brief der Busters an die WN zur Kampagne gegen den Integrationsrat der Stadt Münster

Für uns ist klar: Wir stehen entschlossen an der Seite der Menschen im Integrationsrat“

Münster. Nachdem die WN Münster im Herbst 2023 Arm in Arm mit der CDU Münster im Stadtrat unter Leschniok und Lichtenstein van Lengerich eine skandalöse Kampagne gegen den Integrationsrat der Stadt Münster und engagierten migrantischen Organisationen wie Odak und AFAQ gefahren haben, ist nun erneut der IR ins Fadenkreuz eines Schreiberlings dieses Blattes geraten.

In einem am 6. März 2024 veröffentlichten Artikel der WN unter der Überschrift „Ein Arbeitgeber, der Fragen aufwirft“ behauptet der Verfasser Nils Dietrich, dass ein Mitglied des Integrationsrates der Stadt Münster Geschäftsführer eines Internehmens gewesen wäre, welches der vom Verfassungsschutz beobachteten Muslimbruderschaft zuzuordnen wäre. Darüber sind viele Münsteraner Organisationen und Büger*innen äußerst empört, so auch das Recherche- und Protestlollektiv Busters, die darauf mit einen Offenen Brief an dieses Monopolblatt namens WN reagier haben:

Lieber Nils, liebe Öffentlichkeit, liebe WN,
beim Lesen deines aktuellen WN-Artikels zum Integrationsrat wurden bei uns einige Fragen und Gedanken aufgeworfen. Weil der Artikel öffentlich ist, möchten wir diese auch für alle nachlesbar in diesem öffentlichen Brief formulieren.


Foto Maria Salinas: „Das andere Münster“.

Seit einiger Zeit arbeitest du dich in deiner Tätigkeit für die Westfälischen Nachrichten am Integrationsrat ab. Durch deine frühere Arbeit beim Wiedertäufer und auch in anderen Kontexten sind wir von dir eigentlich starke und hilfreiche Recherche gewohnt. Es verwundert uns, dass du deine Arbeit nun auf progressive Gremien wie den Integrationsrat verlagerst.
Der Rat ist keine politisch geschlossene Gruppe, sondern besteht hauptsächlich aus gewählten Vertreter*innen durch Menschen mit „Migrationsvorgeschichte“ in Münster.
Von den 27 Mitgliedern des Integrationsrates sind 18 direkt gewählt und 9 Personen aus dem Stadtrat ernannt. Die Wahlen zum Integrationsrat sind außerdem eine der wenigen Wahlen, bei denen Menschen, die in Deutschland leben, allerdings keinen deutschen Pass bekommen, trotzdem mitentscheiden dürfen. Bundesweit betrifft das 19% der Volljährigen, denen noch nicht einmal die Möglichkeit gegeben wird, an dem bisschen Partizipation, die Wahlen mit sich bringen, teilzunehmen.

Der Integrationsrat vertritt also zuallererst marginalisierte, zu einem großen Teil von Rassismus betroffene Menschen, die in Deutschland auch so bereits weniger Rechte haben als die Mehrheitsgesellschaft. Uns allein fallen übrigens dutzende Beispiele ein, in denen diese Institution hier vor Ort Menschen in schwierigster Lage geholfen hat. Ganz zu schweigen von den vielen wichtigen Veranstaltungen, die durch den Integrationsrat ermöglicht, veranstaltet und unterstützt wurden. Wir wissen, dass insbesondere durch die Vorsitzende Maria Adela Salinas, eine zuverlässige und vertrauenswürdige Ansprechpartnerin im Integrationsrat sitzt.
Als Linke und für alle mit Anstand sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, Betroffenenvertretungen zu unterstützen.

Der Kampf gegen institutionelle, strukturelle und individuelle Diskriminierung und Unterdrückung muss auf allen Ebenen geführt werden. Das gilt selbstverständlich auch für Journalistinnen. Die „vierte Gewalt“, also die Presse, existiert nicht im luftleeren Raum, sondern trägt große Verantwortung, kritisch zu bleiben, gegen die mit Macht und bedacht vorzugehen, um sich nicht zu Schreibtischtäterinnen zu machen, die Hass und Hetze gegen Minderheiten fördern. Genau dieser Kompass der Orientierung ist bei den Artikeln zum Integrationsrat wohl verloren gegangen.
Stattdessen wird mit Dreck geworfen, offenbar in der Hoffnung, dass etwas haften bleibt mit teilweise so bizarren Vorwürfen, dass wir die noch nicht einmal in unseren Storys erwähnen würden, wenn es um Faschos ginge. In der Vergangenheit war es Thema, dass der Integrationsrat den wichtigen Verein Odak förderte, obwohl Odak in der Vergangenheit einmal mit einer umstrittene Gruppe zusammengearbeitet hatte. Da ist der kontroverse Begriff „Kontaktschuld“ schon nicht mehr treffend, weil ja gar kein direkter Kontakt besteht. An der Stelle auch unsere Solidarität mit Odak, die an so vielen Stellen in den vergangenen Jahren so wichtige Arbeit machten und machen.
Aktuell geht es in der WN um ein Mitglied im Integrationsrat, das angeblich ein Jahr Geschäftsführer eines Vereins war, der wiederum Kontakt zu einem anderen Verein hat, der der „Muslimbruderschaft“ zuzuordnen ist.
Wir machen keinen Hehl daraus, dass wir religiösem Fundamentalismus und damit auch islamischem Fundamentalismus, entschieden entgegenstehen. Das machen wir regelmäßig bei christlichen Fundamentalistinnen und würden wir ebenso bei anderen fundamentalistischen Gruppen machen, die wir als gefährlich einordnen. Deswegen begrüßen wir natürlich auch jede Recherche zu möglichen Verbindungen von Personen in Machtpositionen zu fundamentalistischen Gruppen. Was beim Artikel aber am Ende herausgekommen ist, hat keinen eigenständigen Informationswert: Eine Person, die vermutlich nach Rücksprache mit der Rechtsabteilung der WN nicht einmal namentlich genannt werden darf, wird vorgeschoben, um am Ende den Integrationsrat diffamierend in die Überschrift zu packen. „Integrationsrats-Mitglied mit fragwürdigen Verbindungen – Ein Mitglied des Integrationsrats war Geschäftsführer eines Unternehmens, das der vom Verfassungsschutz beobachteten Muslimbruderschaft zuzuordnen ist. Wie ist das zu erklären?“ Ja, wie ist das zu erklären? Ist der Integrationsrat und die (post-)migrantische Community in Münster etwa durchsetzt von muslimischen Fundamentalistinnen oder welche Hetze könnte die Antwort auf die Suggestivfrage sein?

Wir müssen uns auf die Seite derer stellen, die betroffen sind von der Hetze gegen marginalisierte Gruppen und nicht Öl in das Feuer der Faschistinnen gießen. Als nichts anderes als dieses Öl ist der Artikel leider einzuordnen, denn nichts anderes wird er am Ende bewirkt haben, als die rassistischen Ressentiments in der Gesellschaft weiter zu schüren. Dabei schließt er sich bewusst oder unfreiwillig der Kampagne an, die der rechte Rand der CDU Münster im Stadtrat unter Leschniok und Lichtenstein van Lengerich bereits in der Vergangenheit gegen den Integrationsrat geführt haben. Das Ziel dieser Leute muss sich auch ein WN-Autor immer vor Augen führen, wenn er schon in deren Tröte bläst: Die (post-)migrantische Community zu attackieren, diffamieren und der eigenen Angst vor dem imaginierten „Anderen“ etwas entgegensetzen: Macht, die sie durch ihre eigenen unverdienten Privilegien erhalten haben.

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Wir wünschen dir, lieber Nils, dass du in Zukunft mit mehr Bedacht an deine Recherchen gehst und deine eigene Position in einer konservativen Zeitung richtig einschätzt. Wir wünschen dir auch den Schneid, in Zukunft richtig zu entscheiden, wenn eine Recherche, egal wie viel Arbeit sie gekostet hat, es nicht wert ist, veröffentlicht zu werden, wenn dabei dann doch nichts Handfestes rausgekommen und dessen einziger „Nutzen“ dann noch ist, Schaden an einem so wichtigen Gremium wie dem Integrationsrat zu hinterlassen. Zur Übung und vielleicht auch zur Einsicht, was in der WN möglich ist und was nicht, empfehlen wir dir eine Auseinandersetzung mit der CDU Münster, insbesondere mit Stefan Leschniok. Es ist leicht, nachzuweisen, dass Leschniok Kontakte zu rechten bis extrem rechten Akteurinnen pflegt oder pflegte. Er hielt einen Vortrag vor einer rechten Burschenschaft, in der auch bekannte Neonazis waren und wurde in anderen Kontexten mit Mitgliedern der Jungen Alternative abgelichtet. Für eine einfachere Recherche könnte man Leschniok zum Beispiel fragen, ob er nicht einmal seine Facebookfreunde öffentlich machen will, sodass man die durchschauen kann. Dann brauchst du auch nicht mit Kontakt-Kontaktschuld arbeiten, sondern kannst dich direkt auf die gute alte einfache Kontaktschuld berufen.
Wir wünschen dir viel Erfolg dabei.

Unsere Solidarität gilt den progressiven Menschen im Integrationsrat und ihrer Vorsitzenden Maria Adela Salinas, die sich nun wieder mit dem aufgeworfenen Sturm Ewigkeiten beschäftigen muss und dabei von ihrer so wichtigen Arbeit abgehalten wird.

Volle Solidarität
Busters

Politischer Angriff auf etablierte Gremien und Kulturvereine der Stadt Münster (19.10. 23)

Die CDU-Ratsfraktion attackierte zusammen mit der Presse den gewählten Integrationsrat der Stadt Münster. Auch die erfolgreichen und über Jahre etablierten Kulturvereine Afaq Münster und Odak Münster waren Ziel des populistischen Geschehens. Maria Salinas, Vorsitzende des Integrationsrates, ordnet die Vorwürfe der Münsteraner Opposition bei uns ein.

Leider sind am 1. August 2014 mit der Übernahme der Münsterschen Zeitung durch den WN-Herausgeber Aschendorf-Verlag, die letzten Reste Pressevielfalt auch in Münster beerdigt worden, da die WN nun seitdem quasi eine Monopolstellung in Münster besitzt.

Die in Berlin erscheinende überregionale Tageszeitung nd (Neues Deutschland), hat dazu am 13. August 2021 einen treffenden Beitrag unter dem Titel „Schrumpfen ist keine Lösung“ veröffentlicht:

Münster bietet vieles, was eine Stadt lebenswert macht: Etwas über 300. 000 Einwohnerinnen, eine unterdurchschnittliche Arbeitslosenquote und bei der Bundestagswahl vor vier Jahren das niedrigste AfD-Ergebnis aller Wahlkreise. Außerdem verfügt die Stadt über etwas, was jenseits von Metropolregionen wie Berlin, Hamburg und dem Ruhrgebiet längst zur Rarität geworden ist: An lokaler Berichterstattung interessierte Leserinnen können mit der »Münsterschen Zeitung« (MZ) und den »Westfälischen Nachrichten« (WN) gleich zwischen zwei Regionalzeitungen wählen. Vielfalt, mindestens immer zwei publizierte Meinungen zu einem Thema, verschiedene Blickwinkel – so sieht Medienvielfalt im Lokalen aus. Oder?

Die Geschichte hat jedoch einen entscheidenden Haken: Sie ist nicht wahr. Zwar gibt es in Münster tatsächlich zwei Lokalblätter, doch eines davon ist nicht mehr als eine »Zombie-Zeitung«. Diesen mehr als treffenden Begriff nutzte die Journalistin Anna von Garmissen vor einigen Monaten, als sie für das medienkritische Onlinemagazin »Übermedien« über den Etikettenschwindel berichtete, der da in Münster eine angebliche Medienvielfalt suggeriert, die es vor Ort schon lange nicht mehr gibt.

In Wahrheit verfügt die »Münstersche Zeitung« nicht einmal mehr über eine eigene Redaktion. Die überregionale Berichterstattung wird aus Nachrichtenagenturen und der »Rheinischen Post« übernommen, die Lokalberichterstattung stammt vom früheren Konkurrenten »Westfälische Nachrichten«. Der Grund: Bereits 2014 übernahm WN-Eigentümer Verlag Aschendorff die finanziell angeschlagene MZ. Es folgte, was Betriebswirtschaftler*innen zu gerne als Sanierung beschönigen: Noch im selben Jahr machten die Lokalredaktionen der MZ dicht.

Damit die seitdem herrschende Einfalt nicht sofort auffällt, erscheinen Texte aus der WN oft erst mit einigen Tagen Verzögerung in der MZ, Überschriften und Fotos werden zudem verändert. Auf den ersten Blick ist nicht erkennbar, dass die »Münstersche Zeitung« nur noch ein seelenloses Zweitprodukt aus dem Hause Aschendorff ist.

Buchvorstellung: „Anton Eickhoff – vom Nazi zum Chefredakteur der Westfälischen Nachrichten“

Der Historiker Michael Bieber und Aktivist der VVN-BdA Münster las am 6. April 2022 im Theaterpädagogischen Zentrum Münster (TPZ) , aus seinem neu erschienenen Buch: „Anton Eickhoff – vom Nazi zum Chefredakteur der WN; Stationen eines Journalisten 1931 bis 1969.“ Ein Journalist, der acht Jahre lang Propagandist der Nationalsozialisten war, soll 20 Jahre lang Chefredakteur der Westfälischen Nachrichten gewesen sein? Michael Bieber, der im Rahmen seines Studiums im Alter an der Uni Münster auf diese Informationen stieß, mochte es zunächst nicht glauben. So forschte er immer tiefer, recherchierte auch kleinste Details und musste schließlich feststellen: Weder der Chefredakteur selbst noch der Aschendorff-Verlag hat diese unsägliche Geschichte jemals aufgearbeitet.

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